Das RadGesetz: Macht Berlin lebenswert, schützt das Klima und die Eisbären

Von | 8. Februar 2017

Ohne eine radikale Wende in der Verkehrspolitik werden wir immer öfter solche Bilder sehen. // Akuppa J. Wigham CC BY 2.0

Mit dem Klimaschutzabkommen von Paris haben sich die Regierungen dieser Welt im Dezember 2015 endlich darauf geeinigt, die Klimaerwärmung auf 1,5°C zu begrenzen, um den gefährlichen Klimawandel zu vermeiden. Nur wenige Wochen zuvor hatten sie in New York 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung beschlossen, die sie bis 2030 erreichen wollen. Neben Zielen zur Bekämpfung von Armut, Ungleichheit und dem Schutz von Wäldern und Meeren haben sich die Regierungen hierbei auch vorgenommen „Städte … inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig zu machen“.

Im Jahr 2016 wurde dann noch einmal nachgelegt: In einer „Neuen Urbanen Agenda“ haben sich die Regierungen darauf verständigt, dass und wie sich Städte zu lebenswerten Städten entwickeln sollen. Dazu gehört die Verpflichtung „jedem und jeder Zugang zu sicherer, alters- und gendergerechter, bezahlbarer, barrierefreier und nachhaltiger urbaner Mobilität zu gewähren“. Ist ja alles schön und gut – aber was genau hat das jetzt mit Berlin und dem Volksentscheid Fahrrad zu tun?

Klimaschutz in Berlin: Schneller Ausbau des Radverkehrs ist zentraler Hebel

Um den gefährlichen Klimawandel zu vermeiden und die Erwärmung auf 1,5°C zu begrenzen, darf es nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen im Jahr 2050 keine CO2 Emissionen aus fossilen Brennstoffen mehr geben. In anderen Worten bedeutet das, dass dann nirgendwo mehr ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor fahren darf, auch nicht in Berlin.

Schaut man sich heute auf den hiesigen Straßen um, wird eins klar: Dafür brauchen wir einen grundlegenden Umbau des Verkehrssystems – weg von der autogerechten Stadt und hin zu mehr Rad- und Fußverkehr, unterstützt von einem leistungsfähigeren ÖPNV. Das vom Volksentscheid Fahrrad entworfene RadGesetz ist hierfür der schnellste und günstigste Schritt.

Berlin hat nach dem Klimaschutzabkommen von Paris ein eigenes Klimaschutzprogramm verabschiedet, dessen Ziele allerdings nicht den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen. Die Emissionen im Verkehr sollen laut Klimaschutzprogramm in Berlin bis 2050 nur um 67% (also von heute etwa 1,3 t CO2 pro Person auf 0,4 t CO2 pro Person) sinken. Eigentlich müssten sie auf Null gebracht werden, um das Ziel des Klimaschutzabkommens von Paris zu erreichen. Aber selbst das 67% – Ziel und das bereits 2008 beschlossene Ziel, die Emissionen bis 2020 um 40%, also auf 0,8 t CO2 pro Person, zu senken, wird der Senat mit den bisherigen verkehrspolitischen Maßnahmen deutlich verfehlen.

Eine schnelle Umsetzung des RadGesetzes hilft diese Lücke zu schließen. Das Ziel des RadGesetzes ist es, den Radverkehrsanteil im Land Berlin bis 2025 auf 20% und langfristig auf 30% zu steigern. Mit Hilfe des CO2 Rechners der Agentur für Clevere Städte, die damit BürgermeisterInnen und Stadtverwaltungen berät, haben wir den Klimaschutzeffekt des RadGesetzes für Berlin geschätzt. Mittelfristig lassen sich damit die CO2 Emissionen um etwa 0,3 t pro Person aus dem Verkehrssektor einsparen. Das RadGesetz reicht zwar nicht allein aus, um die CO2 Emissionen in Berlin auf Null zu bringen, jedoch ist der Ausbau des Radverkehrs eine Maßnahme, die sich vergleichsweise schnell und kostengünstig umsetzen lässt. Der Ausbau des ÖPNV, der auch wichtig ist, braucht Jahrzehnte länger und ist um Milliarden teurer – gerade wenn man an den Neubau von U- und S-Bahnlinien denkt.

Ein Berlin für alle braucht das RadGesetz

Das RadGesetz ist nicht nur wichtig, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Es ist auch ein Schlüssel, um Berlin zu einer lebenswerten Stadt für alle zu machen. Verkehrspolitik war in Berlin und anderswo bisher Politik für das Auto. Dieses nimmt durch Straßen und Parkplätze unglaublich viel Stadtraum ein, der anderen Verkehrsteilnehmenden und für andere Aktivitäten nicht zur Verfügung steht.

Diese ungleiche Verteilung von Raum spiegelt nicht die eigentlichen Verhältnisse in Berlin wider: Nur 3% der Verkehrsfläche steht den RadfahrerInnen zur Verfügung, während es für AutofahrerInnen 20 mal mehr ist. Jedoch ist in Berlin ein mit anderen Großstädten vergleichbar geringer Anteil mit dem Auto unterwegs. Tatsächlich werden 83% aller Wege in der Kernstadt Berlin zu Fuß, mit dem Rad oder dem ÖPNV zurückgelegt.

Ungerechterweise sind es gerade die Menschen, die sich kein Auto leisten können, die tendenziell am meisten unter dem Autoverkehr leiden. Bei steigenden Mieten sind sie gezwungen, auf Wohnungen an großen Straßen auszuweichen. Dort sind die Gesundheitsbelastungen durch Lärm und Abgase extrem hoch.

Gleichzeitig führt die Bevorzugung des Autos dazu, dass die Fortbewegungsmittel, auf die sie angewiesen sind – Fuß- und Radverkehr sowie der ÖPNV – nicht im entsprechenden Maß ausgebaut werden können. Das erschwert ihre Mobilität und verlangsamt ihre Wege von A nach B – zugunsten von vergleichsweise wenigen AutofahrerInnen.

Eine schnelle Umsetzung des RadGesetzes würde Berlin deshalb nicht nur klimafreundlicher, sondern auch zu einer gerechteren Stadt für alle machen. Es unterstützt nicht nur beim Ausbau des Radverkehrs, sondern beinhaltet auch positive Effekte für den Fußverkehr und den ÖPNV: z.B. sind Busse schneller, wenn sie sich ihre Spur nicht mehr mit Radfahrenden teilen müssen, da diese auf separaten Radwegen fahren. Wer sich auf diesen sicher fühlt, fährt nicht mehr mit dem Rad auf dem Gehweg, der dann wiederum sicheren Raum für FußgängerInnen schafft.

Das RadGesetz schlägt daher mindestens zwei Fliegen mit einer Klappe: Es hilft Berlin, seinen eigenen und damit den internationalen Klimazielen nachzukommen und macht die Stadt lebenswerter. Für alle. Auch die Eisbären freuen sich, deren Scholle nicht weiter schmilzt.

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Mehr Erfahren und Mitdiskutieren?

Am 17.02.2017 um 18Uhr veranstalten wir in Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung in deren Konferenzzentrum in der Schumannstraße 8 in Berlin-Mitte, eine Podiumsdiskussion mit Jens-Holger Kirchner, Staatssekretär für Verkehr in Berlin, Susanne Henckel, Geschäftsführerin des VBB Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg, Dr. Martin Koers, Verband der Automobilindustrie und Heinrich Strößenreuther vom Volksentscheid Fahrrad. Prof. Dr. Uwe Schneidewind, Präsident des Wuppertal Instituts, Mitglied im Club of Rome und des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) gibt einen Impulsvortrag. Moderation: Sabine Drewes (Heinrich-Böll-Stiftung) und Marion Tiemann (Volksentscheid Fahrrad).
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