Volksentscheid Fahrrad zur ersten Bewertung des “Geisel-Gutachtens” zum RadGesetz – wie erwartet negative Auslegung durch alten Senat erfolgt

Von | 20. Januar 2017

Berlin, 20.01.2017: Die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz hat gestern das Rechtsgutachten zur Prüfung des RadGesetzes des Volksentscheids Fahrrad veröffentlicht. Im Ergebnis wird nur ein Bruchteil des Gesetzes beanstandet. Statt schneller, smarter und kostengünstiger Lösungen, wie sie das RadG des Volksentscheids Fahrrad vorsieht, legt die rigide Rechtsauslegung des alten Verkehrssenats bauliche und teure Infrastrukturmaßnahmen nahe. Wären im Auftrag von Herrn Geisel nicht nur die Straßenverkehrsordnung aus den 30er Jahren, sondern auch das Klimaschutzgesetz und der Luftreinhalteplan berücksichtigt worden, wäre es nicht zu dieser Einschätzung gekommen. Die Initiative hatte per Informationsfreiheitsgesetz auf die Veröffentlichung gedrängt.

Der Prüfungsauftrag kommt zu keinem negativen Ergebnis bei den Paragraphen 1 – 3 und 10 – 21. Damit ist der Löwenanteil des RadGesetzes unbeanstandet und unkompliziert machbar. Bei den Paragraphen 4 – 9, die sich auf Fahrradstraßen, Radschnellwege und sichere Kreuzungen beziehen, wird die rechtliche Ausgestaltung über das Straßenverkehrsrecht kritisch gesehen, die Auslegung über das Straßenrecht jedoch nicht. Damit können bauliche, zum Teil teurere Maßnahmen verordnet werden.

“Wir haben nichts dagegen, Fahrradstraßen und Radwege auch mit smarten baulichen Maßnahmen wie Pollern und Baggern anzulegen”, so Kerstin Stark vom Volksentscheid Fahrrad. “Unser Ansatz, unterstützt von 100.000 Menschen aus Berlin, war aber, angemessen, preisgünstig und kurzfristig für den Radverkehr zu sorgen: Wir hätten konstruktive Verbesserungsvorschläge für unser Gesetz erwartet statt eines Prüfauftrags an teure Juristen, der Herrn Geisels Untätigkeit schützt.”

Im Gutachten ist das RadGesetz ausschließlich gegen das Straßenverkehrsrecht geprüft worden, das seine Wurzeln in der Reichsstraßenverordnung hat, die politisch den boomenden Autoverkehr protegierte. Moderne und gleichberechtigte Rechtsgüter wie Klimaschutz, Luftreinhaltung und Inklusionsgebote sind nicht mit einbezogen worden. Im Widerspruch zum Abstimmungsgesetz § 17 (2) und (3) beauftragte Herr Geisel ausdrücklich nicht, rechtlich tragbare Vorschläge zur Behebung von Zulässigkeitsmängeln zu unterbreiten, wie auf Seite 4 des Gutachtens zu lesen ist.

“Herr Geisel schiebt vorsätzlich einen Riegel vor eine schnelle Verbesserung der Verkehrssicherheit und vor Deutschlands bestes Anti-Stau-Programm; er ignoriert bewusst das Berliner Klimaschutzgesetz und die Anforderungen an Sicherheit und Luftqualität”, so Heinrich Strößenreuther von der Initiative Volksentscheid Fahrrad.“ Autofahrer könnten mit sicheren Radwegen aufs Rad gelockt werden, so dass sich damit Stau, Stress, Abgase und Klimaemissionen für alle reduzieren lassen.”

“Mit dem Gutachten hat der alte Senat Berlin keinen Gefallen getan. Nicht nur wird ein 550 Millionen Euro schweres Investitionsprogramm in die Infrastruktur verzögert, auch der alltägliche Stau wird weiter wachsen”, so Kerstin Stark. “So sieht Klientelpolitik aus, die sich ebenso gegen den Radverkehr wie die staugeplagten Pendelnden richtet.”

Ferner kritisiert das Gutachten den Ansatz, dass die Legislative mit Straßenverkehrsanordnungen per Gesetz der Exekutive Vorgaben macht; Vorgaben via Straßenbaurecht sind davon unberührt, auch wenn diese teurer und langwieriger sind.

Allerdings erlaubt das Gutachten, dass die Verwaltung von sich aus 350 km Fahrradstraßen, 100 km Radschnellwege oder zwei Meter breite Radwege an 1.600 km Hauptstraßen über das Straßenrecht einrichtet.

“Jetzt sind Frau Günther und Herr Kirchner in der Pflicht, für Verbindlichkeit zu sorgen”, so Michael Schulte vom Volksentscheid Fahrrad. “Wir sind fest überzeugt, miteinander smarte rechtliche Lösungen zu finden, um unser Radverkehrsprogramm über die derzeitige Legislaturperiode hinaus festzuschreiben. 105.425 Menschen aus Berlin haben ihren politischen Willen mit ihrer Unterschrift unter das RadGesetz ausgedrückt: Wir freuen uns über den baldigen Verhandlungsstart und bereiten uns vorsorglich auf alternative Schritte vor.”

Eine ausführliche Prüfung des Gutachtens wird in den nächsten Tagen erfolgen. “Zwischenzeitlich fordern wir Frau Günther auf, über eine Bundesratsinitiative auf Bundesebene weitere Freiheitsgrade für die Legislative zu schaffen, wie es bereits im Herbst mit dem Paragraphen 45 (9) der StVO erfolgreich angestoßen wurde”, so Heinrich Strößenreuther. “Das Gutachten legt zu Recht den Finger in die Wunde, dass Verwaltungen per Bürgergesetzgebung nicht gezwungen werden können, vorsorgend für die Schwächsten im Verkehr zu sorgen. Es kann nicht sein, dass erst wieder Menschenleben gefährdet und geopfert werden müssen, weil ein Straßenverkehrsrecht aus den 30er Jahren Klimaschutz, Verkehrssicherheit und das bessere Leben in der Stadt weiter unterbindet.”

“Wir rufen alle Menschen in Berlin und bundesweit auf, uns mit Spenden zu unterstützen. Der ehemalige Verkehrssenator zeigt, dass er am Status Quo, den Unfallzahlen und der autogerechten Stadt festhalten will. Das Inkraftsetzen unseres RadGesetzes erfordert mehr Kräfte und Kosten, als wir ehrenamtlich leisten können”, so Michael Schulte, Finanzvorstand des Trägervereins des Volksentscheid Fahrrad.

Weiterführende Links:

Veröffentlichung des Rechtsgutachtens: http://www.stadtentwicklung.berlin.de/verkehr/politik_planung/rad/download/rechtliche_stellungnahme_redeker-sellner-dahs.pdf

Link zur Anfrage nach Informationsfreiheitsgesetz: https://fragdenstaat.de/a/19817 und zur entsprechenden Pressemitteilung: https://volksentscheid-fahrrad.de/2017/01/08/volksentscheid-fahrrad-beantragt-offenlegung-des-geisel-gutachtens-und-zugehoerigen-schreibens-gemaess-informationsfreiheitsgesetz-3094/

Pressemitteilung zur Untätigkeitsklage: https://volksentscheid-fahrrad.de/2016/12/01/untaetigkeitsklage-gegen-senat-2923/

Artikel der TAZ vom Freitag, 6. Januar 2017: http://www.taz.de/Rechtliche-Pruefung-der-Berliner-Initiative/!5368719/

Link zum RadGesetz RadG: https://volksentscheid-fahrrad.de/wp-content/uploads/2016/07/RadG_2016_07_12-Änderungen.pdf

Diese Pressemitteilung im Online-Bereich: https://volksentscheid-fahrrad.de/presse/pressemitteilungen/

Informationen zum Volksentscheid Fahrrad: https://volksentscheid-fahrrad.de

Ansprechpartner für die Presse im Team Volksentscheid Fahrrad

Heinrich Strößenreuther, 0160-9744 2395, presse@volksentscheid-fahrrad.de

Über die Initiative Volksentscheid Fahrrad: Hinter dem Volksentscheid stehen Engagierte, Mobilitätsexperten, Demokratie-Retter und Fahrrad-Enthusiasten. Viele Verbände, Unternehmen und Wissenschaftler unterstützten das Anliegen, das Radverkehrsgesetz (RadG) schnell in Kraft zu setzen. Ziel ist, dass wir Berlinerinnen und Berliner sicher und entspannt Radfahren können; dafür hat die Initiative das Berliner Radverkehrsgesetz (RadG) erarbeitet. Nur mit dem RadG kann der Senat dauerhaft verpflichtet werden, schnell und aktiv eine gute Radinfrastruktur zu schaffen. Der 10-Punkte-Plan des geplanten Gesetzes benennt konkrete Maßnahmen, jährliche Zielsetzungen und eine Umsetzungsverpflichtung innerhalb von acht Jahren. Der Volksentscheid Fahrrad ist Berlins schnellster Volksentscheid: Der Antrag auf Einleitung eines Volksbegehrens wurde innerhalb von nur dreieinhalb Wochen von 105.425 Berlinern unterschrieben – 7% der Wählerstimmen. Die neue Koalition hat zugesagt, alle Ziele und Forderungen zu übernehmen, ein Mobilitätsgesetz auf Basis des RadGesetzes bis Frühjahr 2017 in Kraft zu setzen und ab 2018 jährlich mehr als 50 Mio. Euro in die Radwege zu investieren. Über 100 aktive Mitstreiter organisieren sich selbst durch Online-Projekttools und durch schnelle, handlungsorientierte Entscheidungsfindung. Der gemeinnützige Trägerverein Netzwerk Lebenswerte Stadt e.V. wurde gegründet und ermöglicht es der Initiative, Spenden entgegenzunehmen.


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